Montag, 17. Oktober 2011

Welt der Täuschungen und Placebos


Wenn sich Menschen über positive (!) Manipulationen durch die Magie mokieren, dann sage ich gern stets, wir sind in unserer heutigen "werbewirksamen" Welt fast ständig von Manipulationen umgeben und kann sich ihnen kaum entziehen.

Wenn es nicht im Negativen gemeint ist (gute Unterstützungen in allen Lebenslagen z.B.), so sehe ich persönlich kein Problem darin. Gutes und Böses sind nur Sichtweisen? Na klar. Aber die Absichtserzielung spielt ja auch dabei entscheidend mit.

Die Welt war immer schon manipulativ, mit und ohne Magie.

Bloß niemanden beeinflussen? Wieso? Das beginnt doch schon im Kleinen zu Hause mit Sätzen wie "Wenn du mich lieb hast, kannst du mir bitte einen Tee machen..:" Der passende Augenaufschlag der Dame des Hauses dazu rundet das Ganze zu einem Komplett-Paket ab.

Manipulationen in unserer Umwelt? Ja klaro, jede Menge sogar! Praktisch rund um die Uhr.

Egal, ob man besorgeten Müttern sugggerieren will, daß die kleinen Frucht-Joghurts, welche ihre Kinder so gern mögen, keinen Kristallzucker enthalten (aber ebenso viel Flüssigzucker, der die absolut gleiche Wirkung hat), daß die fruchtigen Kaubonbons 100 % ohne Fett sind (aber mit jeder Menge Zucker) usw. Solche Produkte werden gern von jungen, sportlichen und dynamisch wirkenden Leuten im TV, im Internet und auf Plakaten präsentiert.

Eine etwas stabilere Dame in unvorteilhafter Bekleidung kaut in der Werbung an einem Schokoriegel? Wohl eher nicht.

Reinliche Hausfrauen hoffen nach der Werbeindustrie auf das "weißeste Weiß ihres Lebens". Obwohl ... weißer als Weiß geht nicht, dann ist es eben nicht mehr weiß. Und eine Banane kann nicht "bananiger schmecken", als eine andere - egal von welchem Anbieter. Wer wünscht sich nicht ein sicheres Auto, in dem sich auch Kinder sicher fühlen?

Daß die Warenpräsentation auch in unseren Läden nicht zufällig ausgewählt ist, ist ja altbeskannt: Teurere Produkte befinden sich stets in Hand- und Augenhöhe, preiswertere gleicher Qualität eine Etage tiefer oder unscheinbar daneben. Der Mensch ansich hat gern "alles sofort im Blicj / Griff" und bückt sich nicht gern. Letzte Kleidigkeiten wie Zigaretten oder Schokoriegel werden dem wartenden Kunden und deren LKindern gleich in Blickrichtung präsentiert. Nicht jede/r fällt auf diese unterschwellige Manipuolation herein, aber genügend Leutchen lassen dabei mehr Geld in den Unternehmen, als sie eigentlich wollten.

Die Welt der Werbung hat alles das mittlerweile perfektioniert, den Konsumenten etwas vorzugaukeln, ganze Phantasien, Träume und Welten mit Produkten zu verknüpfen, die eigentlich gar nichts mehr mit dem Konsumgut als solches zu tun haben. Placebo-Produkte könnte man diese Güter nennen, Güter, die mit etwas Glauben an ihre Versprechen Wunderdinge vollbringen.

Der renommierte deutsche Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich formuliert dieses Phänomen in einem Beitrag für die bildwissenschaftliche Zeitung „Image" folgendermaßen: „Viele Konsumgüter sind heute ausdrücklich darauf angelegt, nicht nur Fiktionen zu erzeugen, die den Fiktionen von Literatur und Kino ähneln, sondern sie so eindrucksvoll in Szene zu setzen, dass ihre Inhalte als wirklich erlebt werden." 

Tees, Anti-Aging-Cremes, Mineralwasser oder Duschgels, so der Wissenschaftler, würden versprechen, man könne durch sie entspannt, verjüngt, erfrischt oder cooler werden.

So sieht Ullrich den Placebo-Effekt längst auf unseren Märkten angekommen: „Macht man sich klar, wie viele Produkttypen physische oder psychische Effekte versprechen, dann wird man von der Ansicht abrücken müssen, Placeboeffekte seien vornehmlich ein Phänomen der Pharmazie."

 Yahoo! Finanzen wirft einen Blick in den Alltag und zeigt Dinge und Produkte, an deren Wirkung wir glauben, obwohl sie diese Wirkung überhaupt nicht hervorrufen.

Der absolute Klassiker unter den Placebo-Produkten ist der „Aufzugtüren-Schließen-Knopf", der in jedem Lift zu finden ist. Jeder kennt die Situation, in der er 20-mal den Knopf drückt, nichts passiert und erst beim 21. Mal schließt sich die Tür. Dennoch bilden wir uns ein, dies wäre auf das Drücken des „Aufzug-Schließen-Knopfes" zurückzuführen. So täuschen wir uns selbst und werden auch beim nächsten Mal wieder im festen Glauben an das Auslösen des Schließ-Mechanismus den Knopf betätigen. Man kann nur hoffen, dass der ebenfalls im Aufzug angebrachte „Alarm-Knopf", den wohl die wenigsten Lift-Fahrer jemals betätigt haben, nicht auch ein solches Placebo-Produkt ist.

Die Palette von vorgaukelnden Scharlatanprodukten ist im Fitness-Sektor besonders groß. Sie reicht von kleinen, Elektroschocks verabreichenden Bauchmuskel-Pads, die bequem beim Fernsehen ein Sixpack zaubern, über Wunderschuhe, dank denen gemütliches Flanieren jede Bauch-Beine-Po-Trainigseinheit ersetzt, bis hin zu jeder Menge Pillen, Tabletten und Tropfen, die einen in kürzester Zeit von einem schmächtigen Woody Allen in einen strotzenden Arnold Schwarzenegger verwandeln - angeblich.

Die Wirksamkeit dieser Produkte muss doch stark angezweifelt werden. Aber sie bedienen das allzumenschliche Verlangen nach körperlicher Superkraft ohne körperliche Anstrengung, Schweiß und Tränen. Was für Bären einem da aber teilweise aufgebunden werden zeigt der aktuelle Fall Reebok in den USA. Der Schuhhersteller muss 25 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil er die Modelle Easy Tone und Run Tone damit bewarb, sie würden einen straffen Po und feste Oberschenkel machen. Diese Wirkung konnte wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

„Signal kommt", leuchtet in roten Lettern von den Schaltern an alten Fußgänger-Ampeln, wenn man sie betätigt. Der Schriftzug vermittelt das Gefühl, dass man selbst in die Regelung des Straßenverkehrs eingegriffen hat, sich das wohlverdiente Recht des Passanten erkämpft hat. Dass das unter Umständen nicht so sein muss und hier nur eine gemeines Täuschung vorliegt, zeigt der Fall der Stadt New York.

Vor einigen Jahren schon gab der „Schmelztigel der Welt" bekannt, dass kaum noch Ampel-Signal-Schalter aktiv seien und diese durch automatische Schaltungs-Regler ersetzt seien. Da es dem „Big Apple" aber zu teuer ist, alle Schalter zu entfernen, sind die nicht funktionstüchtigen Schalter nach wie vor an den Ampeln angebracht, um dort munter Passanten zu täuschen.

Für jede Sehnsucht gibt es mittlerweile ein Wasser. Eines zum Wohlfühlen, eines zum Energie tanken, eines für den Wellness-Faktor, eines für die innere Mitte und Balance. Durch Nuancen von exotische Zusätzen wie Guarana, Kombucha, Zitronengras oder „ominösem" H2O werden diese Illusionen erzeugt und verstärkt und gehen als farbenfrohe Träume in unseren werbebeeinflussten Köpfen auf.

ulturwissenschaftler Ullrich stellt sich daher die Frage: „Wer hätte sich vor fünfzehn oder zwanzig Jahren vorstellen können, dass Wasser Energie oder Entspannung, Fitness oder Spiritualität vermitteln soll?" Eine Erklärung schiebt der Konsumforscher aber auch gleich hinterher: „Zwar gibt es eine große Tradition von Heil- und Weihwassern, die ihrerseits für viele Placeboeffekte verantwortlich gewesen sein dürften, aber im Unterschied zu ehedem ist es mittlerweile allein das Design und Marketing, das geradezu beliebige Wirkungen glaubhaft macht."

Der einzige Produkt-Sektor, der den Heil-, Energie- und Wellness-Wassern noch das Wasser reichen kann, ist der Sektor der Beauty- und Körperpflege-Produkte. Der Sportler kann sich für 1,49 Euro ein Duschgel kredenzen, dass angeblich die Muskeln entspannt wie eine Thai-Massage, die gestresste Großstadt-Dame kann sich mit einem Duschbad in eine sinnliche Oase aus Tausend und einer Nacht versetzen, der leicht schüttere ältere Herr koffeiniert seine Haarwurzeln, und der Althippie badet im Wasser mit Hanf und Opium-Zusätzen.

Dabei, so Kulturwissenschaftler Ullrich, würde gerne mit Begriffen, die sonst im Zusammenhang mit Medikamenten auftauchen, geworben, also mit Hinweisen auf Vitamine, Proteine oder Mineralstoffe. „Selbst bei Produkten wie Deos wird noch so getan, als könnten die Inhaltsstoffe in den Stoffwechsel eindringen und damit nicht nur äußerlich wirken." Dennoch sieht Ullrich dieses Vorgaukeln von Wirkungen nicht nur kritisch. Er betont die positive Wirkung, die Placebo-Effekte haben können, wenn man wirklich an sie glaubt. So sieht er eine goldene Zukunft für Placebo-Produkte voraus, in der „die Konsumenten selbst von einfachsten Produkten Heil erfahren, umgekehrt aber vielleicht schon bald keine Dinge mehr ertragen, die auf therapeutische Dienste verzichten."


Quelle:

http://de.finance.yahoo.com/nachrichten/Placebo-Produkte-5-Dinge-yahoofinanzen-2787769030.html?x=0